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Warum sollte man denn Billard spielen?

13.04.2021

Angesprochen auf mein Hobby wurde mir diese Frage in den letzten dreißig Jahren unzählige Male gestellt. Hatte ich zu Beginn meiner bescheidenen „Karriere“ noch keine schlüssige Antwort darauf, entwickelte sich selbige in den letzten zwei Dekaden doch stetig.

Mit zur Meinungsbildung beigetragen hat dabei sicherlich meine Arbeit als Betreuer und Jugendwart im Hessischen Pool-Billard Verband. Ganze 15 Jahre war ich betreuend oder gar in verantwortlicher Position tätig und begleitete dabei eine mittlere dreistellige Zahl an Jugendlichen auf ihrem Weg zu manchen nationalen und internationalen Titeln. 

So konnte ich an vorderster Front die Persönlichkeitsentwicklungen vieler Kinder, heranwachsender Jugendlicher und mittlerweile Erwachsener beobachten und natürlich auch in meinem bescheidenen Rahmen ein wenig mitsteuern.

Als manifestierte Erkenntnis kann ich nun nach drei Jahrzehnten feststellen, dass das Billardspiel erheblichen Anteil an der Persönlichkeitsentwicklung hat. Fast kein Sport verläuft im Prinzip so konträr zur parallelen Gesellschaftsentwicklung und dem Streben nach immer schneller, höher, weiter und vor allem kurzfristiger. Im Billard verläuft genau gar nichts nach diesem Schema. Und exakt das ist das Gute!

Kinder sind von Haus aus ja meist etwas ungeduldiger und dieser Umstand trifft auch sicherlich auf Jugendliche und vielfach auch Erwachsene zu. Von daher ist es übrigens nie zu spät, sich dem Billardspiel zu widmen, aber das hier nur als kleiner Einwurf in meiner heutigen Kolumne.

Vielmehr soll ja herausgearbeitet werden, was den Billardsport quasi einzigartig macht. In fast keiner anderen Sportart ist man so auf sich alleine gestellt, wie bei diesem Spiel. Man entscheidet ganz allein, was als nächstes zu tun ist. Man lernt also recht schnell, für das was man tut, auch die Verantwortung zu übernehmen. 

Zwar ist die Ausreden-Kartei eines durchschnittlichen Billardspielers stets seitenlang, doch beobachtet man die wirklichen Top-Leute, dann merkt man schnell, dass bei diesen die Kartei keine Bibel, kein Buch und sogar nicht mal ein 2-seitiger Flyer ist. Diese Spieler haben gelernt, für ihr Tun die Verantwortung zu übernehmen und vor allen Dingen ihre Schlüsse daraus zu ziehen.

Verantwortung übernehmen, das ist übrigens ein ganz wichtiger Stichpunkt. Auf gleicher Höhe befinden sich noch die Schlagworte Disziplin und Konzentration.

Kinder, Jugendliche und natürlich auch Erwachsene erlernen beim Billardspiel so schnell wie in fast keiner anderen Sportart, die drei Schlagworte Verantwortung, Disziplin und Konzentration zu verinnerlichen. 

Nahezu jeder spielt gerne Billard, das dürfte recht unzweifelhaft sein. Aber nur die, die Verantwortung übernehmen, Disziplin an den Tag legen und die Konzentration über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten können, werden letztlich erfolgreich sein.

Interessant dürften die drei Schlagworte übrigens für Eltern sein, deren Kinder genau mit diesen wichtigen Aspekten des Lebens Probleme haben. Das bringt mich zurück zu meiner Arbeit im Hessischen Pool-Billard Verband. Gut zwei Dutzend Male konnte ich bei den wirklich herausragenden Kindern mit erleben, wie sich parallel auch ihre schulischen Leistungen dramatisch verbesserten. Eben, weil sie gelernt hatten, Verantwortung zu übernehmen und diszipliniert über einen längeren Zeitraum alleine für sich zu trainieren. Sie werden mir zustimmen, dass dies – überträgt man es auf die Schule – nicht die schlechtesten Eigenschaften sind 😊.

Daher geht zum Schluss meiner heutigen Kolumne auch die Bitte an alle Eltern: Sollte Ihr Kind gerne Billardspielen und Sie dem Kind diesen Wunsch aufgrund des teils zweifelhaften Ruf der Sportart nicht erfüllen wollen – denken Sie nochmal darüber nach!

Thorsten Hohmann - Weltmeister mit damals 23 Jahren

Thorsten Hohmann aus Fulda.
Weltmeister mit damals 23 Jahren.

Foto: Matchroom